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Galliciano-Ein verschlafenes Dorf wo die Zeit still steht

Das verschlafene Dorf Galliciano am Fuße des Aspromonte Gebirges, bewahrt ein wichtiges Stück griechisch-kalabresischer Geschichte in die wir durch eine unerwartete Privatführung eintauchen dürfen.


Piazza Alimos, der Hauptplatz von Galliciano
Piazza Alimos, der Hauptplatz von Galliciano

Unser Weg durch das griechische Kalabrien führt uns nach Gallicianó wo wir ohne es zu erwarten die nächsten 4 Stunden verbringen werden. Wie Pentedattilo ist auch Gallicianó ein kleines verschlafenes Dorf, das jedoch immerhin 30 Einwohner zählt. Auch hier scheinen die Hauptbewohner die vielen Katzen zu sein. Das Dorf liegt eine Autostunde vom Meer entfernt und auf den ersten Blick könnte man sich hier etwas verlassen vorkommen (auch der Handyempfang ist längst weg).

In meinem Reiseführer habe ich gelesen, dass es hier ein kleines Heimatmuseum gibt, das die Geschichte des Ortes erzählt.Doch dazu kommen wir erst viel später, denn wir treffen Mimmo, der uns auf eine Reise durch das Dorf mitnimmt und uns alles über den griechischen Dialekt und den orthodoxen Glauben hier im Ort erklärt. Wir sprechen ein wenig griechisch miteinander. Grecanico, wie der Kalabrisch-Griechische Dialekt heißt, klingt für mich ein bisschen wie der Dialekt auf Kreta oder Zypern. Viele Worte im Grecanico sind veraltet sodass ich sie mit Neugriechisch nicht in Verbindung bringen kann, doch dazu später mehr.

Erst einmal trinken wir einen Espresso im kleinen Café, das nur sonntags öffnet. Petro öffnet eigens für uns, es hat sich wohl innerhalb von Minuten herumgesprochen, dass zwei Fremde im Ort sind. „Kalispera" grüßen sich Petro und Mimmo. Wir unterhalten uns ein wenig, ein bisschen auf griechisch, ein bisschen auf italienisch und starten anschließend unseren Rundgang in der San Giovanni Battista Kirche, die einst eine orthodoxe Kirche war. Wie viele orthodoxe Kirchen gab auch diese dem Druck der katholischen Kirche nach und gab den orthodoxen Ritus auf. Es ist Mitte Januar und vor der Kirche befindet sich noch die Asche eines großen Feuers-wohl eines griechischen Brauches, den ich aber nicht kenne.

Mimmo erklärt uns, dass an Heilig Abend hier ein großes Feuer angezündet wird, das den Toten gedenken soll. „Aghio Luce“ heißt das im Dialekt. Aghio=griechisch für heilig und luce=italienisch für Licht. Das Heilige Licht also. Ich finde diese Wortsymbiose aus griechisch und italienisch sehr schön. Sie könnte auch für die parallele Existenz des griechischen Dialekts mit der italienischen Sprache stehen, denke ich mir. Mimmo erzählt uns jedoch, dass fremde Dialekte hier nicht gerne gesehen waren.

Wer Dialekt sprach galt vor 50 Jahren als „dumm" und „zurückgeblieben" wie uns Mimmo erzählt. Das hat dazu geführt, dass der Dialekt immer mehr ausstarb da sich viele Familien anpassen wollten um diesem Stigma zu entkommen. Wir fragen uns warum das so ist. Der griechische Dialekt existiert in Kalabrien, jenachdem welcher Theorie man folgt, seit der Antike und plötzlich soll es verpöhnt sein ihn zu sprechen?Wir können das nur mit der zunehmenden Globalisierung erklären, die keinen Raum für lokale Individualität lässt.

Wir laufen weiter durchs Dorf und sehen kaum jemanden. Entfernt hört man einmal den Fernseher aus einer Wohnung. Wir laufen zur nächsten Kirche vorbei am Pigadi tis Agapis- dem Brunnen der Liebe-ohhhhhh! Hier kamen einst die Mädchen und Frauen des Dorfes zusammen um Wäsche zu waschen. Damals also der perfekte Ort für die Jungs um Mädels und eventuell die zukünftige Ehefrau kennenzulernen-irgendwie schade, dass das heute nicht mehr so ist. 😉


Von links: Chiesa San Giovanni Battista, der Blick auf Galliciano und eine Gedenktafel an die antike Verbindung zwischen Kalabrien und Griechenland.


Weiter hinauf am Berg befindet sich die orthodoxe Kirche des Ortes-die Santa Maria dalla Grecia. Eher eine kleine Kapelle als eine Kirche.

Mimmo erklärt uns, dass jeder Besucher der die Kirche betritt, eine kleine Glocke läuten muss. Das soll an die griechischen Traditionen hier im Ort erinnern und Glück bringen. Somit läuten auch wir die Glocke bevor wir eintreten und wünschen uns etwas. Die Kapelle sieht auch von innen wie eine typisch griechische Kirche aus. Allerdings kennt man viele Heilige nicht, die hier verehrt werden. Wie zum Beispiel San Leo oder Sant´ Orsola. Ich selbst war mir auch nicht bewusst, dass es viele Ortsheilige gibt, die nur an einem bestimmten Ort verehrt werden. Dass Sant´ Orsola jedoch auch heute noch an bestimmten Orten in Griechenland verehrt wird, hatte Mimmo auf einer Reise zufällig entdeckt.  Vielleicht auch das eine verlorene Verbindung? 


Auf dem Weg hinunter an den Hauptplatz treffen wir ein paar Einheimische, die uns gerne noch frisch gelegte Eier mitgeben möchten. Das nehmen wir gerne an und überlegen sogar ob wir nicht hier nächtigen sollen. Giovanni Maesano, der uns mit Mimmo ein Stück begleitet hat, zeigt uns die kleine Pension die er hier betreibt (link siehe unten). Für diesen Abend entscheiden wir jedoch uns zurück zur fahren. Das Heimatmuseum, wegen dem wir eigentlich hierher kamen besuchen wir nur kurz. Das meiste hat uns Mimmo in dieser spontanen 4-stündigen Privatfführung bereits erzählt. Wir verabschieden uns und lassen eine kleine Spende für das Museum da. Efcharisto Mimmo, wir kommen sicherlich wieder!

Die Erfahrung in Galliciano war für uns beide sehr bereichernd. Wir kamen uns vor als wären wir in der Zeit versetzt gewesen und müssen auch an diesem Abend erst einmal alle Eindrücke verarbeiten. Man kann sich einfach kaum vorstellen, dass mitten im kalabresischen Gebirge Griechisch gesprochen wird, die Einwohner alle einmal orthodox waren und dass diese Teil der kalabresischen Kultur verloren geht wenn er nicht gepflegt wird.

Hier findet ihr den Kontakt zum Heimatmuseum in Galliciano (die Öffnungszeiten können,wie man sich vorstellen kann,variieren): https://www.museionline.info/musei/museo-etnografico-merianou


 
 
 

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